Buchauszug

Die Form des Kreuzes mit seinen sonderbaren Merkmalen erinnert an das Kreuz Christi in Anlehnung an die Visionen der gottseligen Augustinernonne Anna Katharina Emmerich. Hierzu ein Auszug aus der 17. Auflage des Buches „Das bittere Leiden ...“.

Jesus zum Kreuzestod verurteilt

... Notgedrungen von den Hohenpriestern und dem Synedrium und einem drohenden Aufstand des Volkes, welche Jesus von Nazareth der Aufwiegelung, Gotteslästerung, Gesetzverletzung usw. beschuldigten und zum Tode begehrten, Beschuldigungen, welche ich nicht eigentlich einsah, habe ich, um nicht vor dem Kaiser als ein unwilliger Richter der Juden und Beförderer des Aufstandes verklagt zu werden, denselben als einen Verbrecher gegen ihr Gesetz mit Gewalt zum Tode begehrten Jesus zur Kreuzigung übergeben mit zwei anderen verurteilten Verbrechern, deren Hinrichtung auf ihr Treiben verschoben worden war, weil sie Jesus mit ihnen wollten gerichtet haben. Hier schrieb der elende Mensch nun wieder ganz anders. Er schrieb nachher auch noch die Überschrift des Kreuzes in drei Zeilen mit Firnis auf ein dunkelbraunes Brettchen. Das entschuldigende Urteil wurde mehrfach abgeschrieben und an verschiedene Orte gesendet. Die Hohenpriester zankten sich aber am Tribunal noch mit ihm herum, jenes Urteil war ihnen gar nicht recht, besonders, daß er geschrieben, sie hätten das Aufschieben der Kreuzigung der Schächer begehrt, um Jesus mit ihnen zu richten; und dann stritten sie über den Titel Jesu und wollten, es solle nicht ,,König der Juden ´´ ,sondern ,,der sich für einen König der Juden ausgab´´ darauf stehen. Pilatus aber war ganz ungeduldig und höhnisch gegen sie und schrie zürnend: ,,Was ich geschrieben, habe ich geschrieben.´´ Sie wollten auch, das Kreuz Christi solle nicht höher über dem Haupt sein als das der beiden Schächer; es muß aber höher werden, denn es war wegen Mißlingen der Arbeit über dem Haupt zu kurz geworden, um den von Pilatus geschriebenen Titel drauf zu setzen. Sie schoben diese Mangel an Raum und das Protestieren gegen Erhöhung vor, um den ihnen schimpflichen Titel abzuwenden. Pilatus aber gab nicht nach, und sie mußten den Kreuzesstamm durch ein eingezapftes Stück erhöhen lassen, woran der Titel geheftet werden konnte. So nun erhielt das Kreuz durch allerlei Ereignisse jene bedeutungsvolle Gestalt, die ich öfter gesehen habe. Ich sah nämlich immer das Kreuz so, daß die beiden Arme wie die Äste eines Baumes aus dem Stamme aufwärts iefen, und es wäre gleich einem Y, wenn man dessen untere Linie bis zu gleicher Höhe zwischen den Armen verlängerte. Die beiden Arme waren dünner als der Stamm, in welchem diese Arme, jeder einzelne, eingezapft wurden, und diese Einzapfungen wurden an
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jeder Seite durch einen darunter eingeschlagenen Keil verstärkt. Weil aber der mittlere Stamm über dem Haupt durch Mißlingen zu kurz geworden war, um die Überschrift des Pilatus sichtbar zu tragen, mußte noch ein Stück auf diesen Stamm aufgesetzt werden. An der Stelle der Füße wurde ein Klötzchen, um drauf zu stehen, befestigt.
Während nun Pilatus das ungerechte Urteil sprach, sah ich, daß Claudia Procle, seine Frau, ihm sein Pfand zurücksendete und sich von ihm lossagte; ich sah auch, daß sie noch am heutigen Abend heimlich aus seinem Palaste zu den Freunden Jesu fliehen und in einem Gewölbe unter Lazarus‘ Haus in Jerusalem versteckt werden wird. Ich sah auch in Bezug auf den schändlichen Urteilsspruch des Pilatus und auf die Trennung seines Weibes von ihm durch irgendeinen Freund Christi auf einen grünen Stein hinten an der Terrasse Gabbatha zwei Zeilen einkratzen, worin ich mich der Worte judex injustus und des Namens Claudia Procle erinnere. Jedoch weiß ich nicht mehr, ob dieses heute oder einige Zeit nachher geschehen, und entsinne mich nur, daß ein dichter Trupp Männer an dieser Stelle des Forums standen und miteinander sprachen, während jener Mann, von ihnen gedeckt, ohne bemerkt zu werden, diese Zeilen einkratzte, und ich sah, daß dieser Stein unkenntlich noch jetzt unten an einem Haus oder Kirchenfundament in Jerusalem befindlich ist, wo Gabbatha war. Claudia Procle suchte als Christin später Paulus auf und war dessen besondere Freundin. Als das Todesurteil gesprochen war und das Schreiben und Gezänke mit den Hohenpriestern anfing, war Jesus den Schergen preisgegeben; vorher war noch einige Achtung vor dem Gericht, jetzt war er die Beute dieser schrecklichen Menschen. Man brachte seine Kleider heran, wie sie ihm bei der Verspottung vor Kaiphas waren ausgezogen worden; man hatte sie aufbewahrt, und ich meine, sie waren von mitleidigen Menschen gewaschen worden, denn sie waren rein. Es war auch, glaube ich, Gewohnheit bei den Römern, die Hinzurichtenden so auszuführen. Nun ward Jesus abermals von den schändlichen Buben entblößt, und sie banden ihm die Hände los, damit sie ihn bekleiden konnten. Sie rissen ihm den roten Spottmantel von dem verwundeten Leib und rissen ihm manche Wunde damit auf. Er legte sich zitternd selbt die Unterleibshülle um die Lenden, und dann warfen sie ihm sein wollenes Skalpulier um den Hals; weil sie …
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